
Alkohol im Straßenverkehr – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort und Trunkenheitsfahrt
Sowohl eine Trunkenheitsfahrt als auch das unerlaubte Entfernen vom Unfallort können in der Regel nur durch den Fahrer u.U. auch durch Beifahrer verwirklicht werden. Insbesondere in den Fällen, in welchen der Beschuldigte nicht von der Polizei oder von Zeugen als Fahrzeugführer sicher benannt werden kann, kommt es regelmäßig zu Verfahrenseinstellungen.
Serie | Teil 2 von 3
In meiner anwaltlichen Praxis stelle ich insbesondere bei Vorwürfen wegen eines unerlaubten Entfernens vom Unfallort oftmals fest, dass die Beschuldigten die Fahrereigenschaft bereits zuvor einräumen, ihnen hierbei aber nicht bewusst ist, dass eine diesbezügliche Verpflichtung zur Fahrerangabe nicht besteht und durch das Einräumen der Fahrereigenschaft eine erhebliche Mitwirkung an einer dann möglichen Verurteilung erfolgt. Auch hier gilt daher der Grundsatz „Schweigen ist Gold“
Fahrgemeinschaft
Im genannten Fall wäre eine Überführung nur auf Grund von Indizien möglich. Das Fahrzeug wurde dem Vertriebler X von seinem Arbeitgeber überlassen, sodass entsprechend dem arbeitsrechtlichen Überlassungsvertrag nur dieser und ggf. seine Ehefrau und seine erwachsenen Kinder das Fahrzeug führen dürfen. Der Umstand, dass der Unfall in Wohnortnähe erfolgte, spricht ebenfalls eher gegen eine Fremdnutzung. Gleiches gilt für die an den Beschuldigten adressierten Briefe. Sollte keiner der Kollegen bestätigen, dass sich der Vertriebler X zuvor auf einer Weihnachtsfeier befunden hat und danach mit dem Fahrzeug gefahren ist, die Ehefrau und die Kinder ihr bestehendes Zeugnisverweigerungsrecht nutzen und es keine weiteren Indizien wie Blitzerfotos, Aufnahmen von Tankstellen, Kassenbelege mit Kartenzahlung im engen Zusammenhang mit der Tatzeit, stark unterschiedliche Sitzeinstellungen der anderen PKW-Nutzer u.s.w. vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Nutzung durch die Ehefrau und die Kinder ausgeschlossen ist, dürfte der Nachweis der Fahrereigenschaft durch die Ermittlungsbehörde stark erschwert sein.
Alkoholkontrolle
Neben dem Schweigen empfehle ich aus Sicht des Verteidigers und im Interesse des Mandanten zudem weder einer Atemalkoholkontrolle noch einer Blutentnahme freiwillig zuzustimmen, wobei sich die Relevanz durch die Änderungen der formalen Voraussetzungen einer Blutentnahme ein wenig reduziert hat. Bis November 2017 bedurfte es zur Anordnung einer Blutentnahme der Zustimmung eines Richters. Die Polizei musste daher diesen telefonisch zuvor (auch nachts) kontaktieren und dem Richter erläutern, auf welcher Grundlage der Verdacht einer Trunkenheitsfahrt besteht. Erst wenn der Richter eine Trunkenheitsfahrt für wahrscheinlich hielt, wurde die Blutentnahme richterlich angeordnet. Das Messergebnis aus einer Atemalkoholmessung war hierbei häufig das Hauptargument, sodass der Beschuldigte durch die Zustimmung zur Atemalkoholkontrolle unwissentlich zu seinem Nachteil gehandelt hat. In Fällen, in denen der Atemalkoholmessung nicht zugestimmt wurde, gab es zumindest die Chance, dass in Zweifelsfällen von der weiteren Verfolgung Abstand genommen wurde, wenn keine weiteren „bestimmten Tatsachen“ vorlagen, z.B. alkoholbedingte Ausfallerscheinungen wie undeutliche Aussprache, errötete Augen und/oder ein unsicherer Gang.
In Folge der Änderung des § 81a StPO bedarf es mittlerweile der richterlichen Anordnung nicht mehr. Die Polizei darf zwar auch weiterhin nicht willkürlich die Blutentnahme durchführen und muss ebenfalls die „bestimmten Tatsachen“ feststellen, jedoch ist davon auszugehen, dass die bisher bereits geringen Hürden in der täglichen Praxis noch weiter abgebaut werden.
Alkoholkonzentration
Sowohl für die Einordnung als auch für die Strafzumessung ist der festgestellte Alkoholgehalt maßgeblich. Hier spielen folgende Grenzwerte eine Rolle: 0,3 ‰, 0,5‰, 1,1 ‰ und 1,6 ‰.
Nachtrunk / Resorptionszeit
Die Blutentnahme erfolgt oftmals erst 1 bis 2 Stunden später, sodass der Körper in der Zwischenzeit bereits weiteren Alkohol (ca. 0,15 ‰/ p.a.) abbauen konnte. Grundsätzlich wäre eine Rückrechnung mit einem Wert von 0,1 ‰/ p.a. möglich, jedoch ist dies auf Grund der sogenannten Resorptionszeit in den ersten 2 Stunden nach Trinkende nicht zulässig. Macht der Mandant keine Angaben („Schweigen ist Gold“) zu seinem Trinkende ist davon auszugehen, dass das dieses mit dem Zeitpunkt des Aufgreifens übereinstimmt, sodass eine Rückrechnung nicht erfolgt. Nicht selten würde eine Zurückrechnung zu einer Überschreitung des nächsten Grenzwertes führen.
Erfolgt das Aufgreifen nicht während der Nutzung des Fahrzeuges, sondern zu einem späteren Zeitpunkt, so kann auf Grund eines weiteren Alkoholkonsums nach dem Fahrtende der Nachweis einer Trunkenheitsfahrt durch die Ermittlungsbehörden erschwert sein. Die bloße Behauptung des Nachtrunkes reicht jedoch oftmals nicht. Auch hier führen falsche und voreilige Angaben der Mandanten („Schweigen ist Gold“) oftmals dazu, dass der Einwand des Nachtrunkes nicht erfolgreich eingewandt werden kann.
Im obigen Fall hat die Polizei ggf. keine weiteren Kenntnisse zum Unfallzeitpunkt, sodass ein Nachtrunk zumindest nicht ausgeschlossen werden kann.
Absolute / relative Fahruntüchtigkeit
Bei der Frage der Sanktionen ist zwischen einer Fahrt mit Fahrunsicherheiten oder einem Unfall und einer folgelosen Fahrt zu unterscheiden.
Bei einem Alkoholgehalt ab 0,5‰ liegt bei einer folgelosen Fahrt eine Ordnungswidrigkeit vor. Diese führt bei einem Ersttäter zu einem Bußgeld von 500,00 EUR, 2 Punkten und einem Fahrverbot von einem Monat. Bei einem Alkoholgehalt ab 1,1 ‰ gilt eine Person auch bei einer folgelosen Fahrt als absolut fahruntüchtig, sodass auch ohne Unfall oder Fahrunsicherheit der Tatbestand des § 316 StGB verwirklicht ist. Dies führt in der Regel zu einer Geldstrafe von ca. einem Monatsnettogehalt und einem Entzug der Fahrerlaubnis.
Bei einer Fahrt mit Folgen d.h., entweder bei einer festgestellten Fahrunsicherheit oder bei einem Verkehrsunfall, kann bereits ein Alkoholgehalt ab 0,3 ‰ relevant sein. Diese relative Fahruntüchtigkeit führt jedoch dann zu einer Strafbarkeit nach § 315 c StGB, wenn der Unfall oder die festgestellte Fahrunsicherheit alkoholbedingt war. Hierbei gilt, je höher der festgestellte Alkoholgehalt, desto eher wird der Zusammenhang mit dem Alkohol festgestellt. Die Fehleinschätzungen von Geschwindigkeiten und Abständen werden ebenfalls oftmals der Beeinflussung durch Alkohol zugeschrieben.
Das Abkommen von einer Straße in einer Kurve kann jedoch auch andere Ursachen haben. Hier ist z.B. an die weithin bekannten Stabilitätsprobleme bei einzelnen Fahrzeugtypen (Audi TT- 1. Generation), bisher unbekannte Fahrzeugmängel oder an Straßenglätte zu denken. Die diesbezüglichen Möglichkeiten sind im Einzelfall zu überprüfen und müssen im Zweifel zu Gunsten des Beschuldigten berücksichtigt werden.
Vorläufiger Entzug der Fahrerlaubnis
Nach Trunkenheitsfahrten werden regelmäßig die Führerscheine beschlagnahmt und die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Dies ist zulässig, obwohl die Ermittlungsbehörde, und nach erfolgten Widerspruch auch das Gericht, einer möglichen Verurteilung vorgreift. Insbesondere im Bereich der absoluten Fahrunfähigkeit wird vermutet, dass der Beschuldigte auch künftig nicht in der Lage sein wird zwischen dem Konsum von Alkohol und dem Führen eines Fahrzeuges zu trennen, sodass die vorläufige Entziehung dem Schutz der Allgemeinheit dienen soll. Gegen eine vorläufige Entziehung ist ein Rechtsmittel möglich, doch ist mit dieser Möglichkeit sorgfältig umzugehen. Eine Entscheidung des nächst höheren Gerichts kann auch zu einer ungewollten Bindungswirkung des Gerichts in der Hauptsache führen. Der Zeitraum der vorläufigen Entziehung wird bei einer späteren Entscheidung durch Abzug berücksichtigt, jedoch muss bei einem Entzug der Fahrerlaubnis durch Urteil der weitere Zeitraum bis zur Wiedererlangung mind. 3 Monate betragen, sodass eine lange Verfahrensdauer zu einer tatsächlichen Verlängerung des Führerscheinentzuges führt. Der umsichtige Rechtsanwalt hat dies stets im Blick und weist das Gericht ggf. auf den Umstand eines „beschleunigten Verfahrens“ hin.
Serie | Teil 1 von 3
Alkohol im Straßenverkehr – Teil 1: Führerschein weg und Jobverlust
Serie | Teil 3 von 3
Alkohol im Straßenverkehr – Teil 3: Von Unfallflucht bis Rechtschutzversicherungt
Bildequelle: Pexels / http://pixabay.com/